Abenteuer Antarktis: Eine Reise ins blaue Eis
Unsere Bloggerin Madlen hat die Reise ins blaue Eis gewagt. In ihrem Reisebericht teilt sie ihre abenteuerlichen Erlebnisse in den Weiten der Antarktis, dem südlichsten Punkt der Erde.
Vor unserem Bug türmen sich riesige Eisberge. Die Erosion durch Wind und Wasser formt bezaubernde Skulpturen, fast wie von Menschenhand geschaffen. Alle an Bord sind verzaubert, als wir durch die wirbelnden Schneeflocken in den Antarktischen Sund, eine Meerenge am nordöstlichen Ende der Antarktischen Halbinsel, einfahren. Aus der Ferne höre ich das Knarren kalbender Gletscher, von denen Eisbrocken abbrechen und ins Meer fallen. Vor meinen Augen bekommt die vage Vorstellung, die ich von der Antarktis hatte, eine reale Gestalt.
Eselspinguine auf einem Eisberg im Südpolarmeer. Sie schwimmen bis 200 Kilometer weit.
Reisebericht Antarktis: Im Flockenwirbel Brown Bluff erkunden
Es ist Tag 6, als wir auf unserer zwölftägigen Schiffsreise mit der MS Midnatsol von Hurtigruten durch die chilenischen Fjorde in die Antarktis zum ersten Mal antarktisches Festland betreten. Vor uns tut sich die steile braun-gelbe Wand des 745 m hohen, erloschenen Vulkans Brown Bluff an der Ostküste der Tabarin Halbinsel auf. Diese Stelle fahren wir nach dem Frühstück mit kleinen Tenderbooten an. Kaum laufen wir die mit Fahnen markierten Pfade entlang, kreuzen Eselspinguine unseren Weg. „Achtung, Pinguin-Highway!“, ruft uns jemand aus dem Expeditionsteam zu. Ungefähr 500 Brutpaare sollen hier leben. Tapsig wackeln sie den Hang hoch und runter und fallen dabei nicht selten auf die Nase.
Von der Anlandungsstelle schlage ich den Weg nach rechts ein, der direkt an einer Kolonie von Adeliepinguinen mit etwa 20.000 Brutpaaren endet. Im Flockenwirbel bauen sie hier emsig ihre Nester. Von November bis Ende Februar suchen Pinguine die Landmassen der Antarktis zum Brüten auf, bevor die fleißigen Wasservögel wieder in die Fluten der Meere verschwinden, wo sie teilweise bis zu 200 Kilometer pro Tag schwimmend zurücklegen.
Reisebericht Antarktis: Ankern im Vulkankegel der Deception Island
Über Nacht kehren wir über die Bransfieldstraße zu den südlichen Shetland-Inseln zurück. Gegen 7 Uhr morgens drängen sich alle im Bugbereich des Außendecks 6. Niemand will die Einfahrt durch die 400 Meter breite Meerenge „Neptuns Blasebalg“ in die ringförmigen Reste des Kraterkessels von Deception Island verpassen. Einige Schiffe sind schon auf dem Weg in den überfluteten inneren Kratersee Port Foster aufgrund der Enge kollidiert.
Deception Island ist ein Vulkankegel, der vor 10.000 Jahren explodierte und heute von vielen kleinen, schneebedeckten Vulkanen umringt ist. Feine Dampfsäulen steigen aus dem kalten Wasser auf und weisen auf vulkanische Aktivitäten hin. Einige Forschungsstationen und Reste einer verlassenen Walfangstation liegen am Ufer. Diese hat sogar einen kleinen Hangar für Flugzeuge.
In diesen kleinen Tenderbooten machen wir unsere Landgänge.
An unserem Ankerplatz, der Telefon Bay, lugt dunkles Vulkangestein aus den Schneeresten hervor. Zum strahlenden Hellblau der Eisberge und Eisschollen gesellt sich kontrastreich die schwarz-weiße Landschaft. Eineinhalb Stunden haben wir Zeit, um den Kraterkessel eines kleinen Nebenvulkans zu umrunden. Es geht auf und ab. Dabei wird einem bewusst, dass es sich bei der Antarktis um den höchsten Kontinent der Erde handelt. Die Eisschichten liegen im Schnitt auf 2.400 Metern. Es gibt sogar Berge wie das Vinson-Massiv, das knapp 4.900 Meter misst.
Reisebericht Antarktis: die Melodie der Buckelwale
Auf der Fahrt zu unserer nächsten Station tauchen vor unserem Bug jagende Buckelwale auf. Stille legt sich über das Deck, die durch ein begeistertes Raunen bei jedem Auftauchen der eindrucksvollen Fluke durchbrochen wird. Die für ihre melodischen Gesänge in der Paarungszeit bekannten Säuger bewegen sich geräuschlos und elegant durch den Ozean. Wieder zurück in der Kabine, schaue ich noch minutenlang dem Tanz der Wale im Licht der untergehenden Sonne zu. Allein der Blick aus meiner Außenkabine auf Deck 4 ist unbezahlbar.
Auf dem Weg in die Antarktis sehen wir Seiwale und später wiederholt Buckelwale.
Reisebericht Orne Harbour – nicht jede Anlandung in der Antarktis ist einfach
Wir überqueren noch einmal die Bransfieldstraße und fahren in die malerische Gerlache-Straße ein; klingt wie ein Stadtplan, ist aber wind- und wellengepeitschtes Meer. Diese Passage trennt die buchtenreiche Westseite der antarktischen Halbinsel von den Inseln des Palmer Archipels. Viele Namen in der Antarktis gehen auf belgische Abenteurer und Entdecker zurück, wie zum Beispiel auf den Marineoffizier de Gerlache, der hier Ende des 19. Jahrhunderts mit der Belgica unterwegs war.
Zahlreiche Eisberge säumen die Gerlache-Straße.
Je weniger Luftbläschen sich im Eis befinden, desto mehr leuchtet es in intensivem Blau.
Schneegipfel ziehen an meinem Fenster vorbei. Als wir Orne Harbour erreichen, schlägt mir auf dem Außendeck ein eisiger Wind entgegen. Wir dürfen heute mit dem Expeditionsteam etwas früher rausfahren, um die Vorbereitungen für die übrigen Anlandungen mitzuerleben. Doch der starke Wind und der Wellengang lassen unser Vorhaben um ein Haar scheitern. Was sonst sehr einfach gelingt, ist heute eine beschwerliche Sache: Der Ein- und Ausstieg in die Tenderboote.
Reisebericht Antarktis: umgeben von Eisschollen
Die Fahrt zum Ufer gleicht einem Schlängellauf. Eisschollen treiben auf uns zu und umschließen uns. Ich erinnere mich an die Worte des Polarexperten Arved Fuchs, der unsere Reise begleitet und schon mehrfach mit seinem Segelboot auf den Spuren von Shackleton im Südpolarmeer unterwegs war. Wenn man ins Eis hineinfährt, hat man eine Schachpartie eröffnet. Es bleibt immer zu hoffen, dass man ein guter Schachspieler ist, der gegen die Natur, die die Schollen hin- und herschiebt, gewinnt. Als schlechter Planer hätte man in dieser rauen Landschaft im unschuldigen weißen Kleid schnell verloren.
Reisebericht Antarktis: den Eselspinguinen ganz nah
In der Ferne zeichnet sich am schneebedeckten Hang eine feine, gezackte Linie ab. Orangefarbene Hütchen markieren den Weg, dem wir kurze Zeit später strikt folgen. Jeder Schritt daneben könnte ein Einsacken in den Tiefschnee bedeuten und Löcher schaffen – tödliche Stolperfallen für die Pinguine. Von oben öffnet sich der Blick über den Errera-Kanal, die Gerlache-Straße und die Anvers- und Brabant-Inseln. Auf dem Hügel brütet eine kleine Eselpinguinkolonie. Emsig watscheln und hüpfen die flugunfähigen Vögel die Hänge hoch und runter. Skuas, Raubmöwen, lauern in der Umgebung auf den Moment, Eier zu klauen.
Reisebericht Antarktis: Rosarote Lichtspiele im Neumayer-Kanal
Am Abend steuert der Kapitän das Schiff durch die Gerlache-Straße und dann in den malerischen Neumayer-Kanal, wo wir auf Breitengrad 64,47 den südlichsten Punkt unserer Reise erreichen. Schneebedeckte Gletscher umschließen die Wasserstraße, während wir an Eisbergen und Eisschollen vorbei gleiten. Alles wirkt pur und rein in der rauen und schroffen Umgebung. Und als wäre dies nicht genug, legt sich ab 23 Uhr in der taghellen, antarktischen Sommernacht ein rosaroter Schimmer über das strahlende, hellblaue Eis und umspielt sanft die Gletscherspitzen. Dieses Licht transportiert uns in eine andere Welt, die fast etwas kitschig anmutet.
Über dem Neumayer-Kanal legt sich nach Sonnenuntergang ein besonderes rosarotes Licht.
Reisebericht Antarktis: Die Eislandschaft von Cuverville Island
Der letzte Tag in der Antarktis ist angebrochen. Wie unsere Expeditionsleiterin Tessa zu Anfang sagte, kann man eine Antarktisreise nie vorausplanen. Jeden Tag können Überraschungen auf einen warten und eine solche erleben wir nun. Anstatt vor der angekündigten Danco Island zu ankern, schauen wir morgens auf die felsige Cuverville Island, die am Nordrand des Errera-Kanals liegt. Sie wird unser letzter Stopp auf der Antarktischen Halbinsel sein. Vor Danco lag noch zu viel Eis, so dass sich der Kapitän gegen eine dortige Anlandung entschieden hat. Tatsächlich kann man im Errera-Kanal dem Schachspiel der Eisschollen zusehen. In einem kleinen Boot wird man schnell zum Spielball der Natur. Doch wieder überrascht uns die Antarktis – heute mit strahlendem Sonnenschein und spiegelglatter Meeresoberfläche, auf der sich die vergletscherten Berge doppeln.
Ein langgezogener Kieselstrand dient als Anlandungsstelle. Auch hier begrüßen uns wieder Pinguine. In den Buchten am Nordende der Insel brüten gut 5.000 Eselpinguinpaare. Von dem 252 Meter hohen Felsendom genieße ich die wunderschöne Schnee- und Eislandschaft, die mir zu Füßen liegt. Ich gehe bis zum Ende des frisch getretenen Pfades und lasse mich dort in den Schnee fallen. Auf der Haut spüre ich die wärmenden Sonnenstrahlen. Eine halbe Stunde verharre ich hier, um den Augenblick zu genießen, zu konservieren und mit nach Hause zu nehmen. Die Antarktis ist ein wahr gewordener Traum.
Jeder Tag in der Antarktis setzt Superlative. Glaube ich, am schönsten Ort der Erde angekommen zu sein, werde ich am nächsten Tag von einem noch schöneren Ort überrascht. Die Antarktis steckt trotz ihres Minimalismus voller Überraschungen und macht jeden Tag zu einem Höhepunkt.*Die Reise wurde unterstützt von Hurtigruten.
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