Polen mal anders – wir fahr’n nach Lodz!
Lodz ist der Underdog der polnischen Großstädte und das völlig zu Unrecht – was die Stadt, von der Vicky Leandros singt, so einzigartig macht und welche Sehenswürdigkeiten und Geheimtipps ihr nicht verpassen solltet, erfahrt ihr von Bloggerin Franzi in diesem Beitrag.
„Theo, wir fahr’n nach Lodz!“ Mit diesem Titel verlieh die Schlagersängerin Vicky Leandros der polnischen Stadt Lodz mit einem Schlag Kultstatus. Ihr habt trotzdem noch nie von Lodz gehört? Dann befindet ihr euch in guter Gesellschaft. Denn als Reaktion auf meine anstehenden Reisepläne erntete auch ich in meinem Freundeskreis nur fragende Blicke.
Der Massentourismus hat Lodz noch lange nicht eingeholt
Lodz ist der Underdog der polnischen Großstädte und steht seit Jahren im Schatten von Krakau, Warschau & Co. Völlig zu Unrecht, denn wie ich im April persönlich erfahren durfte, hat die Stadt so einiges zu bieten. Und seien wir mal ehrlich: In Zeiten von „Overtourism“, überfüllten Innenstädten und völlig entnervten Anwohnern bedarf es dringend ein paar Alternativen zu den üblichen Verdächtigen, wenn es um Städtereisen geht.
Vom Massentourismus ist Lodz so weit entfernt wie Bali von einer einsamen Insel. Trotz der traumhaft schönen Innenstadt, der riesigen Gastronomieszene und den zahlreichen Sehenswürdigkeiten verirren sich nur wenige Besucher in Polens drittgrößte Stadt. Dabei ist Lodz mit Bus, Bahn und Flugzeug mittlerweile sehr gut angebunden.
Angekommen in Lodz. Wir sind gespannt, was uns in der Stadt erwartet.
Mit Lufthansa geht es direkt von München nach Lodz
Wir nutzen den Direktflug der Lufthansa von München nach Lodz, der von Deutschlands größter Airline mehrmals pro Woche durchgeführt wird. In unter einer Stunde erreichen wir den Władysław Reymont Flughafen, der nur sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt liegt. Wir steigen in ein Taxi und erreichen nur eine Viertelstunde später unser Hotel.
Erster Stopp: Das PURO Hotel im Zentrum von Lodz
Das PURO Hotel im Zentrum von Lodz ist ein echter Volltreffer. Das neu eröffnete Designhotel liegt eingebettet zwischen der berühmten Piotrkowska-Straße und dem Einkaufs- und Vergnügungszentrum Manufaktura. Besonders die Aussicht vom Hotelzimmer ist ein Traum: Das riesige Panoramafenster eröffnet uns einen direkten Blick auf den Palast von Israel Poznański.
Im hoteleigenen Restaurant stehen asiatische und europäische Gerichte auf der Speisekarte. Wir gönnen uns eine kleine Stärkung, bevor wir uns auf eine erste Erkundungstour begeben. Natürlich zieht es uns als erstes in die Piotrkowska-Straße, die das Herz und die Seele der polnischen Großstadt darstellt.
Die Piotrkowska-Straße ist das Herz der Stadt
Die Piotrkowska-Straße ist der Ursprung des gigantischen Textilindustriezentrums, zu dem sich Lodz im 19. Jahrhundert entwickelte. Heute ist sie 4,2 km lang und verläuft vom Freiheitsplatz bis zum Platz der Unabhängigkeit. Zu sehen gibt es einiges, wie zum Beispiel die originale Großstadtarchitektur aus dem 19. Jahrhundert, zu der Objekte im Stil des Historismus, des Eklektizismus und des fantasievollen Jugendstils zählen. Auch Statuen und Kunstwerke begegnen uns in regelmäßigen Abständen, wie beispielsweise das Denkmal der Gründer von Lodz.
Besonders gut gefällt uns die Straßenkunst, für die Polens drittgrößte Stadt bekannt ist. Schon über 70 großflächige Graffitis prägen das Stadtbild und bringen Farbe in die Piotrkowska-Straße. Viele von ihnen entstanden im Rahmen des Galeria Urban Forms Festivals, einem der fünf wichtigsten Streetart-Festivals der Welt. An der Piotrkowska 3 besuchen wir die Roses Passage, die von der Künstlerin Joanna Rajkowska komplett mit Spiegelscherben versehen wurde. Das lichtreflektierende Mosaik ist ihrer Tochter gewidmet, die nach einer Chemotherapie eine Rekonstruktion ihrer Netzhaut benötigte.
Gastrohimmel und ein Sundowner zum Tagesausklang
Einfach unwiderstehlich sind die unzähligen Restaurants, Bars und Imbisse, die sich in der Piotrkowska-Straße dicht aneinander drängen. Besonders bei gutem Wetter ist die Stimmung einmalig. Am Abend scheint es, als hätte sich die gesamte Einwohnerschaft versammelt, um ein Glas Wein zu genießen und den Klängen der Straßenmusiker zu lauschen.
Zum Sundowner ist besonders das OFF Piotrkowska zu empfehlen. Der stillgelegte Industriekomplex beherbergt Bars, Galerien, Cafés, Foodtrucks und Restaurants – von schick bis leger ist alles dabei. An warmen Tagen stehen hunderte von Sonnenliegen im Innenhof. Wir holen uns ein kühles Getränk und lassen den Tag entspannt bei Loungemusik ausklingen.
Sundowner im OFF Piotrkowska. Wir lassen den Tag entspannt ausklingen.
In der ratternden Straßenbahn zum Botanischen Garten
Am nächsten Morgen können wir es selbst kaum glauben, dass wir vor wenigen Stunden noch im Liegestuhl entspannt haben. Die Temperaturen fallen über Nacht um 12 Grad und für den Nachmittag ist Regen vorausgesagt. Weil wir die letzten trockenen Stunden ausnutzen wollen, setzen wir uns in die Straßenbahn und fahren in den Botanischen Garten der Stadt.
Die Tram ist übrigens das am meisten genutzte öffentliche Verkehrsmittel in Lodz. Die Bahnen verkehren überall in der Stadt und besonders wenn man eines der alten Modelle erwischt, macht es richtig Spaß, durch die Straßen zu rattern. Im Botanischen Garten angekommen wird uns erst bewusst, was für ein Glück wir haben: Wir erleben nicht nur die Tulpen sondern auch die Kirsch- und Magnolienbäume in voller Blüte.
Nicht nur für Technikfans: Das Wissenschafts- und Technikzentrum EC-1
Danach besuchen wir das EC-1, das Wissenschafts- und Technikzentrum der Stadt. Es befindet sich im ersten Heizkraftwerk von Lodz und bietet drei Lehrpfade, die sich mit den Themen Energieumwandlung, Wissen und Zivilisation sowie den Geheimnissen der Mikro- und Makrowelt beschäftigen. Auch wer von Technik wenig Ahnung hat, kann hier einiges erleben. Denn neben den Ausstellungsstücken gibt es viele interaktive Lernstationen, ein 3D-Kino und sogar Stationen, an denen verschiedene Teilnehmer gegeneinander antreten oder ein Team bilden können.
Dampfmaschine im EC-1 – die Ausstellungsstücke hinterlassen Eindruck.
Lodz bei Regenwetter – Zeit für ein Kulturprogramm
Am nächsten Tag ist der Regen endgültig in Lodz angekommen. Das stört uns aber nicht weiter, denn wir möchten ein bisschen Kultur tanken. Als erstes statten wir der Manufaktura einen Besuch ab. Das 27 ha große Vergnügungs- und Einkaufszentrum liegt auf dem Gelände der ehemaligen Fabrik von Israel Poznański. Es beherbergt unter anderem das Kunstmuseum ms2, viele Restaurants, rund 250 Geschäfte, eine Diskothek, ein Bowling-Center, eine Kletterwand, ein Kino, ein Theater und ein Hotel.
Besonders können wir uns für die Architektur begeistern. Obwohl die Sonne nicht scheint, leuchten die aneinander gereihten Gebäude in den schönsten Rottönen. Auch die hohen Decken und die riesigen Fenster sind echte Hingucker. Unter anderem bewundern wir sie im Restaurant Bawełna, wo wir uns mittags eine kleine Stärkung und einen leckeren Käsekuchen zum Dessert gönnen.
Israel Poznański und sein Erbe an die Stadt
Anschließend geht es weiter ins Fabrikmuseum, das sich im Endfertigungsbereich der im 19. Jahrhundert von Poznański gegründeten Textilfabrik befindet. Das Highlight der Ausstellung sind die vier 140 Jahre alten Webstühle, die bis heute funktionsfähig sind. Wir erwischen eine Vorführung und erfahren am eigenen Leib, welcher Lärmbelastung die Fabrikarbeiter zur damaligen Zeit ausgesetzt waren. Ich halte mir die Ohren zu und kann mir kaum vorstellen, dass die Menschen hier täglich bis zu 14 Stunden hart arbeiten mussten.
Noch mehr über Israel Poznański erfahren wir bei einem Besuch in seinem Palast, der direkt an die Manufaktura angeschlossen ist. Der Unternehmer hatte damals das Bedürfnis, seiner Arbeit ganz nah zu sein und ließ den eklektischen Palast deshalb auf dem Fabrikgelände erbauen. Er gilt als die größte Fabrikantenresidenz in Polen. Besonders beeindruckend ist die pompöse Innenausstattung, die besonders gut im Speise- und im Ballsaal zum Ausdruck kommt.
Kaum zu glauben, dass die Webstühle bis heute funktionieren.
Mittags stärken wir uns auf dem Vegetarian Festival
An unserem letzten Tag in Lodz entdecken wir ein echtes Highlight: Das Vegetarian Festival in der Piotrkowska 217. Hier bieten regionale Gastronomen und Händler vegetarische und vegane Spezialitäten an. Knallrote Burger, bunte Hotdogs, leckere Smoothies und veganer Käsekuchen – die Auswahl ist riesig und ich möchte am liebsten alles einmal durchprobieren. Ehrlich gesagt habe ich mir als Vegetarierin vor meiner Reise nach Polen doch ein paar Gedanken gemacht. Umso mehr überrascht es mich, wie viele fleischlose Gerichte in den Restaurants und Imbissen der Stadt angeboten werden.
Vegane Hotdogs auf dem Vegetarian Festival – so lecker!
Moderne Kunst und Kinematografie – die besten Museen in Lodz
Weil der Regen einfach nicht aufhören will, setzen wir unsere Sightseeingtour im ms2 fort, dem Museum für moderne Kunst in der Manufaktura. Hier befindet sich auch ein wundervolles Café für regnerische Tage. Im Awangarda könnt ihr gemütlich auf dem Sofa oder auf einem Kissen im Fensterrahmen sitzen und das Treiben vor dem Einkaufszentrum beobachten.
Den Abschluss macht das Museum für Kinematografie, das eine beeindruckende Sammlung aus Kameras, Projektoren und Szenografien von Filmen und Andenken polnischer Filmemacher beherbergt. Und um den Tag entspannt ausklingen zu lassen, geht es am Abend noch für ein paar Stunden in den Aquapark Fala – mit warmen Pools, einer Saunawelt und einer Ganzkörpermassage zum Abschluss.
Im Café Awangarda lässt es sich bei Regenwetter wunderbar verweilen.
Geheimtipp Lodz: Ein spannender Städtetrip ganz ohne Touristenmassen
Ich muss gestehen, dass ich im Vorfeld keine riesigen Erwartungen an unsere Reise nach Lodz hatte. Umso mehr hat mich die Stadt überrascht und ich hoffe, dass ich sie bald noch einmal wiedersehen werde. Von den herzlichen Einheimischen über das leckere Essen bis hin zum spannenden Kulturprogramm haben wir hier ein nahezu perfektes Wochenende verbracht und ich kann Lodz für eine Städtereise weit abseits des Massentourismus nur empfehlen.
- Von A nach B gelangt man in Lodz am besten mit der Straßenbahn oder mit den relativ günstigen Taxis. Für die öffentlichen Verkehrsmittel gibt es unter anderem auch Wochenendtickets. Mehr Informationen zu Taxi und Tram gibt es hier.
- Unsere Unterkunft, das PURO Hotel, kann ich von ganzem Herzen empfehlen. Wir haben uns in dem zentralen Designhotel sehr wohl gefühlt.
- Das Hotelrestaurant Miska bietet leckere Fusionsküche mit asiatischen und westlichen Einflüssen. Zum Hotel gehört außerdem das Biotiful Healthy Snack Lab mit einer großen Auswahl an leckeren Tees.
- Den besten Burger der Stadt (auch vegetarisch) gibt es im Imbiss Gastromachina in der Piotrkowska-Straße 89.
- In der Piotrkowska 217 findet nicht nur in regelmäßigen Abständen das Vegetarian Festival statt. Es gibt unter anderem auch ein Streetfood Festival und ein Bier Festival.
- Zu den besten vegetarischen Restaurants der Stadt zählt das Tel Aviv.
- In der Manufaktura hat es uns im Restaurant Bawełna besonders gut geschmeckt. Die Gnocchi mit Trüffel und Parmesan und ganz besonders das Dessert kann ich empfehlen.
- Im Café Awangarda lässt sich ganz wunderbar der Trubel im Innenhof der Manufaktura beobachten.
- Mehr Informationen rund um Lodz und seine Sehenswürdigkeiten gibt es vor Ort im Tourismusbüro (Piotrkowska-Straße 28) oder auf der offiziellen Webseite.
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Koffer schon gepackt? Oder noch mehr Tipps? Wir freuen uns auf deinen Kommentar!
Felicia
wir sind gerade eine Woche in Lodz.
ich kann nur unterschreiben was du in deinem Blog schreibst. Es wird gerade irre viel gebaut, so das sich Lodz wirklich gerade wandelt.
Die Mural sind zum Teil so beeindruckend, manchmal ist schwer zu unterscheiden ob es das Haus oder Malerei ist.
andere wiederum sind sehr großflächig und schwierig auf einem Fito zu bannen. So selber kommen und anschauen.
Wir haben auch jedesmal sehr lecker gegessen. Zu empfehlen sind die buisness-lunches die allenhalbend sehr günstig angeboten werden.
Anonym
Ich suche alte Postkarten vom Bahnhof Lodz, habe aber keine gefunden. Gibt es solche nicht mehr? – Haben Sie solche Postkarten für mich?
Walter Krämer
Redaktionsteam
Hallo Herr Krämer,
leider können wir als Reiseblog nicht mit alten Postkartenmotiven aus Lodz dienen. Viel Erfolg bei der weiteren Suche!
Viele Grüße
Janina von Travellers Insight
SZ
Absolute Zustimmung… Auch wenn man den morbiden Charakter links und rechts der Attraktionen nicht unterschlagen sollte.