Im Herzen Portugals: Wandern rund um die Serra da Estrela
Bei einem Urlaub in Portugal denkt man an goldfarbene Sandstrände, steile Klippen und tosende Atlantikwellen. Doch neben 850 Kilometern Küstenlinie besitzt das südwestlichste Land Europas eine nahezu unberührte Bergwelt, allen voran im Zentrum Portugals. Bloggerin Alexandra hat das gebirgige Hinterland des „Centro de Portugal“ erkundet. Sie ist durch Gletscherlandschaften aus Granit gewandert, stieß auf die einzige Skipiste Portugals, mittelalterliche Dörfer und Designhotels mit Geschichte. Und ist seitdem süchtig nach dem würzigen Bergkäse aus der Serra da Estrela.
Sie scheinen nicht so recht her zu passen, die Häuschen im Belle-Epoque-Stil, die an den schroffen Felsvorsprüngen kleben. Rostrot, lindgrün, hellgelb, alle mit großen Sprossenfenstern und Veranden, Ende des 19. Jahrhunderts erbaut. Die Chalets dienten als Refugium für Tuberkulosekranke, die hier oben auf 1.500 Metern auf Heilung hofften. Der portugiesische Arzt Sousa Martins hatte seinerzeit herausgefunden, dass die Luft in Penhas Douradas - so heißt dieser malerische Fleck in der Serra da Estrela - ganz besonders rein ist.
Wandern in Penhas Douradas in der Serra da Estrela
Die Luft ist frisch, ideales Wetter für eine Wanderung im „Sternengebirge“. Der Anstieg durch den dichten Birkenwald bringt meine Lungen kräftig zum Arbeiten, doch als wir auf der Hochebene ankommen, hat auch mein Atem seinen Rhythmus gefunden. Ich würde in den Bergen komplett andere Farben vorfinden als an der Küste des Centro de Portugal, hatte Filipe zuvor gesagt. Wegen des Granits und Schiefers sei alles gräulich und bräunlich. Was eintönig klingt, wirkt unglaublich beruhigend und irgendwie heimelig, trotz der fast schwarzen, kugeligen Granitbrocken links und rechts des Wanderweges und trotz der zackigen Felsen, die sich vor uns zu einer spektakulären Silhouette aufbauen. Von Tristesse keine Spur: Der weiche, sandige Boden ist überzogen von einem Meer aus Büschen und Sträuchern mit orangenen Wacholderbeeren, gelbem Ginster und violettem Heidekraut.
Der höchste Gipfel der Serra da Estrela
Wenn wir immer geradeaus weiter liefen, kämen wir irgendwann zum Torre, dem mit knapp 2.000 Metern höchsten Gipfel der Serra da Estrela, sagt Wanderführer Luís. Irgendwann - diese vage Zeitangabe entpuppt sich als 16 Stunden. Den höchsten Punkt des kontinentalen Portugals sparen wir uns daher für einen anderen Tag auf. Es führt auch eine asphaltierte Straße dort hin, wo die Portugiesen im Winter Ski fahren. Heute belassen wir es bei einer fünfstündigen Rundwanderung. Der Weg geht leicht bergan, wir klettern durch Felsspalten, lassen den Blick über den schimmernden See schweifen und finden den perfekten Picknickplatz - ein in Fels gehauenes Haus. Das hatte sich ein zivilisationsmüder Richter bauen lassen, erzählt Luís. Heute wird es manchmal von Schäfern oder Wanderern als Regenschutz genutzt.
Die eben noch so harmlos wirkenden Wolken haben sich zusammengezogen, dicke Regentropfen prasseln vom Himmel. Das Wetter kann sich rasch ändern in der Serra da Estrela. Schnell packen wir die Picknickreste zusammen. Die Aussicht auf einen Saunagang und eine heiße Dusche lässt uns einen Schritt schneller gehen.
Wohnen in einem ehemaligen Sanatorium: Casa das Penhas Douradas
Das Casa das Penhas Douradas ist der perfekte Ort, um sich vom Wandern zu erholen. Einen starken, schwarzen Kaffee bestellen, sich in einem der geschwungenen Sessel einkuscheln und durch die bodentiefen Fenster einfach nur auf das Bergpanorama starren. Dazu ein paar Cracker mit hausgemachter Kürbismarmelade und diesem unwiderstehlichen Queijo da Serra da Estrela, ein weicher Bergkäse aus Schafsmilch. Es heißt, er schmecke besonders aromatisch, weil die Schafe sich hier nur von Gebirgsgräsern und -kräutern ernähren.
Das Casa das Penhas Douradas ist ein Designjuwel, das nordische Eleganz mit Retrocharme und Hüttenambiente vereint. Es steht auf den Ruinen eines ehemaligen Sanatoriums. Der kubusartige Anbau, in dem ich wohne, ist von außen mit Kork verkleidet. Die Wände und Möbel sind aus Birkenholz, die Sessel und Sofas mit dicken, bunten Filzwollstoffen bezogen. Überall findet man Designgegenstände aus den 1950ern und 1960ern, daneben alte Holzski und -schlitten.
Ausblick auf die Sterne im Sternengebirge
Das charmante Berghotel ist das Baby der beiden Lissaboner João Costa Tomás und Isabel Costa, die ihre Karrieren als Jurist beziehungsweise Managerin aufgegeben haben, um sich in Penhas Douradas einen Traum zu verwirklichen. 2018 kam ein zweites Hotel dazu, das Casa de São Lourenço. Aus einer Pousada von 1940 oberhalb von Monteigas haben die beiden das bislang einzige Fünf-Sterne-Hotel in der Serra da Estrela geschaffen. Bei einem Rundgang wähne ich mich einmal mehr im Interior-Design-Himmel. Ebenso himmlisch ist das cremige Risotto mit Oktopus, das wir im Panoramarestaurant mit Blick über das Zêzere-Tal genießen. Es ist Vollmond, man erkennt die Sterne. Von der Decke des Restaurants hängen Hunderte von Blumen aus einem lodenartigen Filz.
Der Stoff, aus dem Träume sind: Die Burel-Fabrik in Monteigas
Burel, ein gewalkter Stoff aus Schafwolle, hat eine jahrhundertelange Tradition in den Bergen von Zentralportugal. Früher wurden hauptsächlich Umhänge für Schafhirten aus dem wasserabweisenden, isolierendem Material produziert. Fast jedes Dorf hatte eine Wollfabrik. Eine davon befindet sich in Monteigas. Nachdem sie jahrzehntelang still stand, rattern die Webstühle jetzt wieder. Die älteste Maschine ist weit über 100 Jahre alt, erklärt Cíntia, die uns durch die Burel Factory führt und uns die abgegriffenen Bücher mit den vergilbten Musterkarten zeigt, nach denen heute immer noch beziehungsweise wieder gearbeitet wird.
So altmodisch die Fabrik wirkt, so zeitgemäß ist das, was hier produziert wird. Wandbehänge, Teppiche, Jacken, Taschen, Rucksäcke, in knalligem Gelb, kräftigem Türkis, gesmokt, in Biesen gelegt, alles nach Entwürfen junger, portugiesischer Designer. Dass Burel heute eine Renaissance erlebt und bis nach Japan verkauft wird, ist der Verdienst von João und Isabel, den Betreibern der beiden Berghotels, die die Fabrik 2010 zu neuem Leben erweckt haben. Ich kann mich nur schwer bremsen, nicht den halben Ausstellungsraum leerzukaufen.
Grüne Wälder im Zentrum Portugals: Wandern auf der Schilfroute
Anstatt in Chelsea-Boots von Burel zu schlüpfen, ziehe ich wieder meine Wanderschuhe an. 375 Kilometer gekennzeichnete Wanderwege gibt es im Nationalpark Serra da Estrela. Heute steht die Rota de Caniça auf unserem Programm, die Schilfroute. Der acht Kilometer lange Rundweg startet in Lapa dos Dinheiros, einem Dorf auf der Südwestseite der Serra da Estrela. Vom Flussstrand geht es hinauf, durch Kastanien- und Eichenwälder, einen Bachlauf entlang zu einer Felsformation, die aussieht wie Teufelshörner, und weiter zu den Quedas da Caniça. In der Höhle hinter diesen Wasserfällen leben angeblich 400 Fledermäuse.Überall wieder Wacholdersträucher. Aus dem wird ein ginähnlicher Schnaps gebrannt. „Und das schon lange, bevor Gin so ein Hipsterding wurde“, lacht Célia. Célia ist der Kopf und die Seele der Aldeias de Montanha, eine Initiative, die sich dem Erhalt der Traditionen in den Bergdörfern der Serra da Estrela verschrieben hat. Und ein Netz aus 15 ausgewiesenen Wanderrouten geschaffen hat.
Kurzer Stopp am Quedas da Caniça Wasserfall.
Weiße Dörfer und portugiesische Leckereien
Zu den Traditionen in den Bergen in Zentralportugal gehöre ein langes Mittagessen, sagt Célia. Das nehmen wir im Casa Vicente Loriga ein. Mit Blick auf die weißen Häuser von Loriga, früher ebenfalls ein Zentrum der Textilindustrie, lassen wir uns geschmortes Lamm schmecken. Vorab Bergkäse mit Broa, ein für die Region typisches Brot aus Maismehl. Die süße Krönung: Bolo Negro de Loriga, ein dunkler Zimtkuchen.
Terrassenfelder und eine Handvoll Häuser - es lebt sich idyllisch in den Bergdörfern der Serra da Estrela.
Den schönsten Blick auf Loriga hat man übrigens von nahe dem Flussstrand von Loriga. Solche Strände, Praia Fluvial auf portugiesisch, an denen sich die Gebirgsbäche über Wasserfälle in Naturpools ergießen, findet man zuhauf in der Serra da Estrela. Serpentine um Serpentine fahren wir hinunter und wieder hinauf, durch Gletschertäler, an deren grüne Hänge sich Dörfer wie Loriga schmiegen. Zwischen Alvoco da Serra und Barriosa machen wir halt. Direkt am Praia Fluvial Poço da Broca liegt das Restaurant Guarda Rios: es ist Gin o’clock.
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Jüdisches Erbe in Belmonte, mittelalterliche Steinhäuser in Sortelha
Wir verlassen die Serra da Estrela, fahren nach Osten, bis fast an die spanische Grenze. Unser Ziel heißt Belmonte, 45 Autominuten von Manteigas entfernt. Man kann von Manteigas auch nach Belmonte wandern, über den Weitwanderweg GR33, oder sogar von Penhas Douradas. Für die 40 Kilometer von dort muss man allerdings zehn Stunden ansetzen.
Belmonte liegt in der Serra da Esperança. Es geht zu den Aldeias Históricas de Portugal, das sind zwölf Dörfer, die architektonisch und historisch besonders bedeutsam und über den Weitwanderweg GR22 miteinander verbunden sind. Für die Portugiesen ist Belmonte wahrlich ein besonderer Ort. Pedro Álvares Cabral, der Seefahrer, der Brasilien entdeckt hat, wurde hier geboren. Und es ist die Heimat einer der letzten kryptojüdischen Gemeinden der iberischen Halbinsel. Während der Inquisition konvertierten viele Juden zwangsweise zum Christentum, sie lebten ihre Bräuche jedoch im Geheimen weiter, und das über fast 500 Jahre. Erst 1989 gründeten die Sepharden in Belmonte eine neue jüdische Gemeinde. Im Jüdischen Museum fahren wir mehr über diese schicksalhafte Geschichte. Wir spazieren durch die Rua da Fonte da Rosa und die Rua Direita, wo sich im Mittelalter das jüdische Viertel erstreckte, passieren einen weißen Bau mit einer roten Tür - die neue Synagoge Beth Eliahu.
Über Römerwege und Hirtenpfade kann man von Belmonte ins 20 Kilometer entfernte Sortelha radeln oder wandern. Sortelha gehört ebenfalls zu den zwölf historischen Dörfern und liegt auf einem Granitmassiv neben der Serra de Opa. Hinter den dicken Stadtmauern der mittelalterlichen Siedlung lebt heute nur eine einzige Person, eine alte Dame. Wir klettern die ausgetretenen Stufen der Burgruine hinauf auf die Festungsmauer. Von hier oben hat man den besten Blick auf die aus Granit gebauten Häuser mit den roten Dächern.
Hotel in Belmonte: Übernachtet haben wir in der Pousada Convento de Belmonte. Dass die Zimmer nach Franziskanermönchen benannt sind, hat einen guten Grund: Das Hotel war früher ein Kloster. Es hat einen Pool mit Blick auf die Serra da Estrela und eine hervorragende Küche.
In und um Viseu: Sakrale Kunst, das Dão-Weinhochland und der Eco-Track do Dão
Wer sich nach einem Wanderurlaub in Zentralportugal weiteren kulturellen und kulinarischen Genüssen hingeben möchte, sollte auf der Fahrt zurück nach Porto eine Übernachtung in Viseu einlegen. Viseu ist die älteste Stadt des Centro de Portugals und bekannt für seine Kirchenkunst, erklärt uns Fátima, Archäologin und ein wandelndes Geschichtslexikon. Sie zeigt uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Viseu. Dazu gehören die Kathedrale, die mit einem Barockportal versehene Igreja de Misericórdia, das Museum Grão Vasco und die von Häusern im manuelinischen Stil gesäumten Gassen der Altstadt. Ansonsten: Viel Street Art, viele Plätze mit Cafés und blau-weißen Azulejos. Über never ending kann man historische Stadtrundgänge mit Fátima buchen.
Hinter der streng-schlichten Fassade der Kathedrale von Viseu findet man einen Kreuzgang mit Azulejos.
Viseu liegt im Dão-Tal, der zweitältesten Weinregion Portugals. Durch die granit- und sandhaltigen Böden und den Schutz der umliegenden Bergketten gedeihen hier besonders intensiv schmeckende Trauben. Modernen Weine aus traditionellen Rebsorten hat sich das Weingut Quinta de Lemos verschrieben, 20 Autominuten von Viseu entfernt. Über den Weinbergen liegt das Restaurant des Guts, das Mesa de Lemos, hier kann man bei einem exzellenten 7-Gänge-Menü Weine wie Dona Georgina, Dona Paulette und Dona Louise verkosten. Die preisgekrönten Weine hat Familienoberhaupt Celso de Lemos Esteves nach den Frauen der Lemos-Familie benannt, die das Weingut betreibt. Kirscharomen, Erdbeernoten, Honig, Eukalyptus, Orange, Vanille - wir treffen auf eine wahre Geschmacksexplosion, genauso wie beim Chef-Menü von Küchenchef Diogo Rocha.
Wer jetzt ein paar Kalorien verbrennen möchte, schwingt sich auf den Fahrradsattel. Ganz in der Nähe von Mesa Loma führt nämlich eine der schönsten Fahrradrouten der Dão-Region vorbei, der Ecotrack do Dão, der Viseu mit den Orten Tondela und Santa Comba Dão verbindet. Über eine Länge von 47,5 Kilometern geht die Ecopista do Dão an einer ehemaligen Bahntrasse entlang, man passiert Weinberge, stillgelegte Bahnhöfe, kleine Dörfer und fährt über eine von Gustave Eiffel konstruierte Brücke. Begleitete Fahrradtouren inkl. Transfer bietet beispielsweise A2Z Walking & Biking an.
Restaurant in Viseu: Traditionelles aus der Dão-Region mit Blick auf die Kathedrale gibt es im Restaurant Muralhas da Sé. Probieren sollte man das in Wein geschmorte Kalb mit Migas, das sind Bohnen mit Maisbrot und Kohl, und die von Nonnen erfundenen Baisers Casthana de Oves de Viseu.
Hotel in Viseu: Übernachtet haben wir in Viseu in der Pousada de Viseu. Die Adresse - Rua do Hospital - verrät es schon: Das Hotel ist in einem ehemaligen Krankenhaus untergebracht. Statt Krankenhauscharme findet man luxuriöse Suiten und einen von Kreuzgängen gesäumten Lichthof mit Restaurant.
Das Hospital São Teotónio öffnete 1842 seine Pforten. Heute ist es ein 4-Sterne-Hotel.
Praktische Informationen für eine Rundreise mit Wandern im Centro de Portugal:
- Beste Reisezeit: Die Bergwelt im Zentrum Portugals zu besuchen lohnt sich ganzjährig. Die beste Reisezeit ist von Mai bis Oktober, selbst im Hochsommer wird es nicht zu heiß. Im Winter schneit es häufig, die höher gelegenen Straßen lassen sich dann nur mit Allradantrieb befahren.
- Anreise in das Centro de Portugal: Von Deutschland fliegt man am besten nach Porto. TAP Air Portugal bietet seit September 2019 eine direkte Verbindung von München nach Porto an, der Flug dauert knapp drei Stunden.
- Von A nach B kommen: Für einen Wanderurlaub in der Region Centro de Portugal nimmt man am besten einem Mietwagen. Von Porto bis in die Serra da Estrela sind es 160 Kilometer, von Belmonte nach Viseu 100 Kilometer, von Viseu nach Porto 130 Kilometer. Insgesamt haben wir knapp 700 Kilometer zurückgelegt. Rund um Porto ist der Verkehr recht dicht, je weiter man ins Hinterland kommt, desto entspannter fährt es sich. Für die Nutzung der Autobahnen ist eine Mautgebühr fällig.
- Reisedauer: Für die beschriebenen Aktivitäten sollte man mindestens fünf Übernachtungen einplanen.
- Du willst die Route nachwandern? Auf dieser Karte findest du alle im Beitrag erwähnten Orte und Geheimtipps in der Serra da Estrela, um Belmonte und Viseu:
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