Delhi für die Sinne: Streetfood und mystische Gesänge
Unsere Bloggerin Alexandra war auf einem Streifzug durch die indische Hauptstadt Delhi. Von Streetfood in Old Delhi über Trendviertel wie Shapur Jat bis zu den Sufis von Hazrat Nizamuddin: Auf unserem Blog nimmt sie euch mit in die Einzigartigkeit und den Charme der indischen Metropole.
Offenbar habe ich instinktiv den richtigen Aufgang genommen an der Metro-Station Chawri Bazar. Wobei mir eigentlich keine Wahl bleibt: Die Menschenmenge, die die Bahn ausspuckt, treibt mich nach oben. Empfangen werde ich von einem Chaos aus Fahrradrikschas, Mofas und Menschen. Menschen, die etwas transportieren oder sich transportieren lassen. Kein Millimeter Platz scheint zu sein, um sich zu Fuß einen Weg zu bahnen. In der Ferne erspähe ich die weißen Zwiebeltürme und das rote Gemäuer der Jama Masjid. Die Freitagsmoschee ist neben dem Roten Fort das markanteste Bauwerk in Old Delhi und mein Ziel. Wenn ich dort hingelangen will, muss ich in dieses Chaos eintauchen.
Delhi came as a shock. There were so many people, and, oh, the traffic.- Tina Turner -
Streetfood Delhi: das Essen liegt in der Luft
Ich mache mich auf den Weg, vorbei an dem Rikschafahrer mit dem Tuch um den Kopf und dem breiten Lachen, das seine vom Betelnusskauen rot gefärbten Zähne entblößt. Nach nur wenigen Schritten fange ich an zu husten, meine Augen tränen. Die Luft ist geschwängert von scharfen Gewürzen und Rauchschwaden aus den zahllosen Essenständen, die sich am Straßenrand aneinanderreihen. Wenn Du in die Seele von Delhi schauen willst, musst Du Dich durch die Küche von Shahjahanabad probieren, wurde mir gesagt. Shahjahanabad ist der ursprüngliche Name Old Delhis, das übrigens gar nicht Delhis ältester Stadtteil ist, sondern erst Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut wurde und von vielen Delhites noch heute so genannt wird.
Chowri Bazar: Durch die Straße der Kurtisanen zur Jama Masjid
Durch das Wirrwarr aus Stromkabeln, die sich über der Straße zu dicken Knäueln zusammenballen, lässt sie sich nur vage erahnen, die einstige Eleganz der Havelis in der Marktstraße Chowri Bazar. Längst wurden diese palastähnlichen Herrenhäuser, von deren Balkonen früher die Kurtisanen Delhis ihre Dienste anpriesen, zu Werkstätten und Ladenlokalen umfunktioniert. Haushaltsutensilien aus Messing und Silber und Papierwaren werden hauptsächlich verkauft. Ich umschiffe die meterhoch bepackten Lieferkarren, die Teeverkäufer und Paanverkäufer. Und erreiche irgendwann tatsächlich das breite Eingangstor der Jama Masjid.
Delhi: prächtige Moscheen und Wasserrituale
Was für eine wohltuende Ruhe im Hof der größten Moschee Indiens herrscht. Hätte ich mehr Zeit, würde ich auf eines der Minarette steigen. Der Blick von oben auf das Rote Fort und das Gassengewirr Old Delhis soll einzigartig sein. Doch ich bin verabredet. So verweile ich nur einige Momente in der unter Mogulkaiser Shaj Jahan erbauten prächtigen Moschee, die zwischen 1644 and 1658 zur Blütezeit der islamischen Baukunst in Indien entstand. Shaj Jahan, der glanzvollste der islamischen Mogulherrscher, die Nordindien über Jahrhunderte regierten, verdanken wir übrigens auch das Taj Mahal. Ich beobachte die Rituale am Wasserbecken und die Versuche eines älteren Herren mit langem Bart und Gebetskappe, sich vor den eindrucksvoll verzierten Spitzbögen der Gebetshalle mit seinem Handy abzulichten.
Kulinarisches Paradies in den Basaren von Chandni Chowk
Den Ausblick auf das Häusermeer Old Delhis genieße ich vom Dach eines Havelis, das seinen alten Glanz zurückbekommen hat. Das Haveli Dharampura beherbergt ein Luxushotel und ist meine Oase zum Durchatmen. Bei einem Fresh Lime Soda warte ich auf meine Freundin Alka, die mich in die Geheimnisse der Straßenküchen von Shahjahanabad einweihen wird. Später folge ich ihr durch die Gassen, Galis genannt, die so eng sind, dass fast nie Tageslicht einfällt. Alka, die ich auf einer meiner Reisen durch Indien kennengelernt habe, ist eine echte Delhite und kennt jeden Winkel in diesem Labyrinth.
Das Haveli Dharampura ist ein Luxushotel und der perfekte Ort zum abschalten. Auch als Lunchspot sehr empfehlenswert.
Haveli DharampuraStreetfood Delhi: Gasse der frittierten, gefüllten Brote
Unser „Food Trail“ führt uns durch das Basarviertel von Chandni Chowk. Durch den Kinari Bazar, wo die Bräute Delhis ihren Hochzeitsschmuck kaufen. Vorbei an den Gold- und Silberschmieden von Dariba Kalan und den Parfümverkäufern von Attar Bazar. Immer tiefer hinein in den Bauch Old Delhis. In die Paratha Wali Gali, die „Gasse der frittierten, gefüllten Brote“. Mehr als 30 Sorten Paratha gibt es bei Paratha World, pikante und süße. Seit 1889 ist das Geschäft in Familienbesitz, erklärt Abish, der es in sechster Generation führt und uns freigiebig probieren lässt.
Streetfood Delhi: Kartoffelbällchen, Donuts und ein Delhi Belly
Ein Muss sind auch die Golgappas. Wobei das scharf gewürzte Wasser, in das die mit Kartoffeln und Kichererbsen gefüllten Bällchen getunkt sind und das man mittrinkt, einem bei den hitzigen Temperaturen einmal mehr den Schweiß auf die Stirn treibt. Auf die Frage, ob das Wasser gefiltert sei, ernte ich Gelächter. Der „Delhi Belly“ bleibt dennoch aus.
Kulinarisches Delhi
Den krönenden Abschluss gibt es bei Natraj Dahi Bhalla Wala. Eine Art Donut verputzen wir hier, frittiert, pikant, mit cremigem Joghurt, der im Mund schmilzt.
Das Delhi der Hipster: Hauz Khas Village und Shahpur Jat
Auch wenn es unter den jüngeren Delhites inzwischen durchaus als schick gilt, in Chandni Chowk traditionell zu essen und in Chowri Bazar Hochzeitseinladungskarten zu kaufen - das Hipster-Herz von „Dilli“ schlägt woanders, in South Delhi. In Vierteln wie Greater Kailash, Defence Colony, Lado Sarai in der Nähe des Qtb Minar, Hauz Khas Village und Shahpur Jat.
Ich sitze auf dem Balkon des Kaffeine. Mein Blick schweift über die mittelalterlichen Ruinen von Hauz Khas, den Teich, der einst der Wasserversorgung diente, und den weitläufigen Park, der im milchigen Licht der Nachmittagssonne liegt. Hauz Khas ist eine der frühen Siedlungen Delhis. Typisch für diese: Neben mittelalterlichen Monumenten aus der Zeit der Sultane und Mogule entstehen In-Viertel mit Boutiquen, Bars und Restaurants. Ich schlendere durch die Reste der Anlage aus dem 14. Jahrhundert und treffe auf Sachin, der Kunst am Delhi College of Arts studiert und häufig zum Zeichnen herkommt. Das übrige Publikum in den alten Gemäuern: junge Liebespärchen, die verstohlen Händchen halten. Rauchschwaden ziehen auch hier an meiner Nase vorbei. Sie duften nach Gras.
Streetfood Delhi: Cafés für kulinarisch Experimentierfreudige
Wenn die Sonne über dem Park untergeht, füllen sich die Gassen von Hauz Khas Village. Aus ganz Delhi kommt man am Wochenende her, um zu essen, zu trinken und zu feiern. Besonders beliebt: das Social, das Bulldogs, das Coast Café, The Toddy Shop mit Spezialitäten aus dem südindischen Kerala, und das Kunzum Travelcafé.
Mein besonderer Tipp für kulinarisch Experimentierfreudige: Nur fünf Rikschaminuten entfernt liegt der Hauz Khas Market mit der Dzükou Tribal Kitchen. Hier kocht die Besitzerin Karen traditionelle Gerichte aus ihrer Heimat Nagaland im Nordosten Indiens. Bei einem Rotwein, geräuchertem Schwein, Kürbiscurry mit Rosenblättern und schwarzen Erbsen mit Bambus erzählt sie Euch gerne mehr über ihre Kindheit im Land der Kopfjäger. Ihre Familie gehört übrigens zu einem Kopfjägerstamm …
Lust auf authentisches Essen? In ihrem Restaurant Dzükou Tribal Kitchen kocht Karen traditionelle Gerichte.
Dzükou Tribal KitchenDelhi: Streetart und scharfe Limonade
Hauz Khas Village habe seinen Zenith überschritten, sagen manche. Sie bevorzugen Shahpur Jat. Ungeteerte Straßen, eine Kuh, ein Beinahezusammenstoß mit einem Fahrrad, dessen Besitzer durch die bunten Besen, die er transportiert, den Weg nicht sieht, Werkstätten, in denen Stoffe gefärbt werden, über ihren Krückstock gebeugte, weißhaarige „Aunties“ - bin ich wirklich richtig? Zwischen all dem, den Ruinen einer 900 Jahre alten Festung und Hauswänden mit Street Art finde ich sie dann doch, die Ateliers und Boutiquen junger Designer und die hippen Lokale von Shahpur Jat.
Viele Hausfassaden in Shahpur Jat sind mit Street Art verziert.
Wie das GreenR, ein Café mit vegetarischer, kalifornischer Küche. Das Faiquiri Sufi Café & Couture mit arabisch inspirierten Snacks und Dekogegenständen und Gedichten des großen persischen Dichters und Sufi-Mystikers Rumi an der Wand. Und das Potbelly Rooftop Café, das mit Gerichten aus dem indischen Bundesstaat Bihar, scharfer Masala-Limonade und Musik von The Cure lockt. Shaphur Jat, ein Paradebeispiel indischer Eklektik.
Ein wenig versteckt: die hübschen Cafés und Restaurants in Shahpur Jat.
Delhi, Stadt der Poeten und Mystiker
Wer nicht nur Sufi-Poesie in Cafés lesen will, sondern echte Sufis treffen möchte, fährt nach Hazrat Nizamuddin. Vor dem Polizeirevier gegenüber des Humayun-Mausoleums, eine der Haupttouristenattraktionen Delhis, warte ich auf Mohd Asif Ali von Adventure Trail. Er wird uns in die geheimnisvolle Welt der islamischen Mystik entführen, die vor gut 700 Jahren ihren Weg aus den Wüsten Rajasthans nach Delhi fand. Das Viertel Nizamuddin ist nach dem Sufi-Heiligen Hazrat Nizamuddin Auliya benannt, zu dessen Grab täglich Hunderte pilgern. Sie kommen zum Mausoleum, Dargah genannt, um ihre Wünsche und Sorgen loszuwerden. Um zu singen und zu tanzen, zu den tranceartigen, poetischen, religiösen Gesängen - Qawwali.
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Zu guter Letzt: Delhi zum Wohnen, Lesen und Gucken
Koffer schon gepackt? Oder noch mehr Tipps? Wir freuen uns auf deinen Kommentar!
Chrissi
Hallo Alexandra,
Indien steht auf jeden Fall auch auf meiner Bucketlist.
Warst du als Frau alleine unterwegs? Würdest du es empfehlen?
Alexandra Lattek
Hallo Chrissi,
lieben Dank für Deinen Kommentar und schön, dass Du Indien mit auf Deine Bucketlist packst. Bei meinen vielen und langen Besuchen in Indien war ich sehr häufig alleine unterwegs, bin mit Bus und Zug kreuz und quer durchs Land gereist. Mir ist nie etwas passiert, die eine oder andere etwas unangenehme Situation hätte sich auch in einem anderen Land zutragen können. Ich würde daher keiner Frau vom Alleinreisen in Indien abraten. Man sollte allerdings erste Fern- und Soloreiseerfahrung haben. Ich habe auf meinem eigenen Blog ausführlicher zu diesem Thema geschrieben, u.a. hier: https://www.travelingtheworld72.de/indien-ein-reiseland-fur-frauen/. Der Bericht ist zwar schon etwas älter, hat aber nichts an Aktualität verloren. Hier habe ich ebenzu ein paar Gedanken dazu aufgeschrieben: https://www.travelingtheworld72.de/respekt-toleranz-und-menschlichkeit-einige-gedanken-zu-indien-und-deutschland/. Melde Dich gerne, wenn Du noch Indien-Tipps brauchst!
Liebe Grüße
Alexandra
Kerstin
Vielen Dank für den tollen Blog-Beitrag und die wunderschönen Fotos. Leider kann man nicht mal eben hindüsen und die Köstlichkeiten probieren…
Alexandra Lattek
Vielen lieben Dank, das freut mich! So ganz um die Ecke ist es leider nicht, wobei das Streetfood wirklich dazu verlocken könnte, schnell man in den Flieger nach Delhi zu steigen :-).